Leseprobe

1. Kapitel: willkommen bei blacky

Julian liegt in seinem Bett und träumt seinen Lieblingstraum. Er ist Handballprofi und spielt in der stärksten Liga der Welt. Hier in Deutschland. Julian liebt diesen Traum. Warum? Julian weiß, dass es kein Traum bleiben wird. IRGENDWANN geht er in Erfüllung. IRGENDWANN. Er weiß nur nicht, wann IRGENDWANN ist …

In den Katakomben, wie die Räume unter der Tribüne genannt werden, ist es dunkel. Nur ein kleiner Lichtkegel scheint vom Spielfeld herein. „Zwei Punkte“, flüstert Julian, „Zwei Punkte brauchen wir.“ Er kreist seine Arme und hüpft auf und ab. Wie vor jedem Spiel. So bleiben die Muskeln warm. Nach ein paar Minuten stoppt er und lauscht. Er ist schon viele Jahre Handballprofi, da erkennt er am Lärmpegel, wie voll die Halle ist. „Hört sich an wie ausverkauft.“ Seine Teamkameraden nicken. Kurz vor dem Spiel wird nicht viel geredet, aber Julian weiß: Eine ausverkaufte Halle findet jeder Klasse!

Julian schaut zu Sofie, seinem Einlaufkind: „Bist du bereit zum Einlaufen?“
„Mmh!“, murmelt Sofie. Ganz wohl ist ihr nicht. Julian kniet sich hin: „Soll ich dir ein Geheimnis erzählen?“
„Ein Geheimnis?“
„Aber niemanden erzählen, ja?“ Sofie nickt. „Als ich Einlaufkind war, konnte ich Tage vorher nicht schlafen, weil ich so aufgeregt war.“
„Du?“
„Ja, ich. Da war ich 9 Jahre, glaube ich.“
„Ich bin auch 9 Jahre.“
„Siehst du, da haben wir etwas gemeinsam.“ Sofie lächelt über das ganze Gesicht. „Wenn ich groß bin, dann werde ich auch Handballprofi!“, sagt sie mit strahlenden Augen.
„Das wirst du. Bestimmt. Und ich komme dich bei deinen Spielen besuchen! Ok?“
„Au ja.“ Sofies Aufregung ist mit einem Mal verflogen.
„UNSERE NUMMER 7: JULIAAAAAN …“,
der Hallensprecher zieht die Buchstaben lang wie Kaugummi. Sofie und Julian laufen gemeinsam aus den Katakomben auf das Spielfeld. Das Scheinwerferlicht blendet. Die Lautsprecher dröhnen. Die Zuschauer jubeln. Julian liebt diesen Moment. Hier auf der Platte ist sein Zuhause. Hier fühlt er sich wohl.
„JULIAAAAAAN …“
Julian schaut sich um. Hat der Hallensprecher ihn ein zweites Mal angekündigt?
„JULIAAAAAAN …“
Jetzt rüttelt es an seiner Schulter:
„JULIAAAAAAN …“
Louis wedelt mit seinen Armen wie ein Torwart beim 7-Meter. Das ist Louis. Aber wieso hat er kein Spieltrikot an?
„Endlich. Du bist wach!“ Louis schaut ihn mit großen Augen an. „Was? Wo? Wie?“
„Julian, du bist eingeschlafen.“
Julian schaut sich um. „Äh … wo bin ich?“
„Du bist in unserem Zimmer auf der Sportschule.“ Langsam dämmert es Julian. „Komm, wir müssen los! Unser erstes Handballtraining mit BLACKY beginnt in genau …“ Louis schaut auf sein Handy. „…acht Minuten!“
„Handballtraining? – Sag das doch gleich!“ In Windeseile springt Julian aus seinem Bett. Er öffnet seinen Schrank und greift nach einem Satz Handballklamotten. Louis bleibt die Spucke weg. „Rot, schwarz, weiß, blau, grün. Das ist ja alles nach Farben sortiert.“
„Klar, Hose, Shirt und Untershirt müssen farblich passen. Auf dem Spielfeld möchte ich gut aussehen. Rot oder schwarz?“
„Rot“, stammelt Louis, immer noch baff von so viel Ordnung. Schnell hat sich Julian umgezogen. „Schaffen wir das noch?“
„Ja, wenn du schnell bist.“ Julian spurtet aus dem Zimmer. „Bin schneller als schnell!“
„Aber falsche Richtung. Zur Sporthalle geht es hier lang“, ruft Louis vom anderen Ende des Gangs.

DING DONG DING DONG DING DONG
Mit dem Klingeln betreten beide die Platte. „Gerade noch geschafft“, flüstert Louis. Julian ist außer Puste. Der Vollsprint vom Zimmer zur Halle war wirklich nicht weit, aber Vollsprint ist Vollsprint. Danach muss er immer pusten. Louis klatscht die Jungs zur Begrüßung ab. Julian macht es ihm nach. Er kennt keinen von der Truppe, aber das ist ihm egal. Beim Handball begrüßt jeder jeden. So hat er es gelernt. Es ist eh alles neu für ihn. Die Halle, die Mitspieler, die Schule. Nur BLACKY kennt er schon.

Die Handballhalle ist groß. Größer als die Trainingshalle der Füchse Berlin und auch größer als die Halle des THW Kiel. Es gibt Tribünen auf beiden Seiten, darüber Büros und außerhalb des Spielfeldes ist ganz viel Platz. In Berlin passt das Handballfeld gerade so in die Halle. Wer da einen Vollsprint macht, rennt gegen die Wand. Hier aber ist Platz. Das gefällt Julian. Seine Augen entdecken die große, digitale Anzeigetafel. Beim Wort HEIM pocht sein Herz besonders stark. Er gehört ab sofort zur HEIM-Mannschaft. Ein Gefühl von Stolz, Aufregung und auch ein wenig Unsicherheit macht sich in ihm breit. Fühlt sich komisch an. Komisch, aber verdammt gut.
„Hey Louis, sollte es nicht um 16 Uhr losgehen? Es ist schon 16:11 Uhr. Kommt BLACKY noch?“ Louis zeigt auf die Büros. „Ich glaube, BLACKY ist schon da!“ Julian schaut auf die Fenster der Büros. Tatsächlich. Dort oben erkennt er einen Schatten. „BLACKY kommt häufig ein paar Minuten später. Meistens beobachtet er uns in der Zeit von seinem Trainerbüro da oben. Da hat er den besten Blick.“ Julian zuckt mit den Schultern. „Dann haben wir noch Zeit, ein paar Bälle zu werfen.“ Kaum ausgesprochen, rennt er los. Quer durch die Halle. Von Nervosität keine Spur. An der Mittellinie dreht er sich um: „Louis! Pass! Zu mir!“ Louis visiert Julians Position an und wirft.
ZISCHHHHH
Der Ball fliegt. Während er in der Luft ist, rennt Julian mit voller Geschwindigkeit weiter Richtung Tor. Seine Augen verfolgen die Flugbahn. Der Ball kommt näher, näher und näher. Doch plötzlich entfernt er sich wieder. Der Ball landet am Mittelkreis „Louis, wo wirfst du hin?“
„Zu dir, wie du wolltest.“
„Aber ich laufe weiter. Handball ist ein Bewegungssport. Du erinnerst dich?“
„Haha!“
„Du musst auf einen Punkt zielen, der vor mir liegt. Also noch einige Meter weiter.“ Louis schaut wie bei der letzten Mathearbeit, als er vergessen hatte, den Stoff zu lernen. Im Trainerbüro geht BLACKY die Schülerliste durch. Bei Julian stoppt sein Finger. „Julian, nicht reden, zeigen!“ Julian kann ihn nicht hören. Oder doch?
„Pass auf, Louis: Ich zeige es dir. Du rennst jetzt so schnell du kannst nach vorn und ich passe zu dir.“
„Einfach losrennen? Und wo passt du hin?“
„Keine Sorge. Mein Pass findet dich schon.“
„Wenn du meinst.“ Louis ist unsicher, ob das
funktioniert. Schnell rennt er los. Julian scannt das Handballfeld. Seine Augen wandern vom Ball zu Louis und dann in die Zielzone. Er hält inne. In seinem Kopf passieren tausend Fragen gleichzeitig. Wie weit muss ich werfen? Wie hoch? Wie hart? Und in welche Richtung muss ich werfen? Sein Arm zischt vor:
ZISCHHHHH
Der Ball fliegt wie an einer Leine gezogen über das Spielfeld. 20 Meter. Vielleicht 25. Louis beobachtet. Der Ball kommt näher und näher – genau in seinen Laufweg. Die Geschwindigkeit, die Höhe und die Richtung des Wurfes passen exakt. Als hätte Julian ganz genau gewusst, wohin er werfen muss. Louis‘ Finger greifen den Ball, als wäre er ein Schokoriegel an der Supermarktkasse. Es ist so einfach. Locker versenkt er den Ball im Tor. „Das war mega!“, ruft er Julian zu und klatscht ab. Das Nicken von BLACKY im Büro bekommen beide nicht mit.
Julian geht in die Abwehrposition. Die beiden stehen sich gegenüber. Louis dribbelt und macht plötzlich einen großen Schritt nach vorn. Julian erwartet einen Überzieher und versucht den Arm von Louis festzumachen. Doch seine Hände greifen ins Leere. Louis macht eine ganz andere Bewegung. Er dreht sich einmal um die eigene Achse und macht einen Schritt zur Seite. So steht er nicht mehr vor Julian, sondern neben ihm. Julian ist baff. „Mann, wie hast du das gemacht? Du standest doch eben noch vor mir.“
„Beinarbeit und Übung. Habe ich zwei Jahre für gebraucht.“ Julian ist beeindruckt. „Mega. Das ist doch nicht zu verteidigen.“
„Genauso soll es sein!“ Louis ist zufrieden. Julian schaut nach oben. Der Schatten am Fenster ist verschwunden. Da stupst ihn Louis an und zeigt auf den Eingang. Da ist er: BLACKY.
BLACKY begrüßt jeden einzelnen Spieler. So wie es Louis und Julian Minuten vorher gemacht haben. Einmal Handballer, immer Handballer. Julian hat ein gutes Gefühl. BLACKY stellt sich die Mitte.

„Guten Morgen, Kinder! Herzlich willkommen zum neuen Schuljahr. Ich bin Christian BLACKY Schwarzer, euer Trainer. Viele von euch kenne ich schon vom letzten Schuljahr und einige sind neu. Schön, dass ihr alle da seid.“ Alle klatschen. „Ich freue mich auf eine spannende Saison mit euch. Wir trainieren vier Mal in der Woche: Montag und Mittwoch früh ist Athletiktraining. Dienstag und Donnerstag Nachmittag machen wir individuelles Handball-Training. Wir sehen uns daher mindestens vier Mal in der Woche hier in der Halle. Sie wird euer zweites Zuhause.“

DING DONG DING DONG DING DONG
klingelt die Schulklingel. BLACKY dreht sich um.
„O Leck, was ist das denn? Die Schulstunde hat doch gerade erst begonnen.“ Aus dem Lautsprecher tönt eine weibliche Stimme: „Hier ist die Schuldirektorin: Eine dringende Durchsage: Alle Lehrkräfte kommen bitte SOFORT und UNVERZÜGLICH ins Lehrerzimmer! Ich wiederhole: SOFORT und UNVERZÜGLICH!“
„OK. Das ist ungewöhnlich. Wie ihr hört, muss ich los. Spielt ein wenig in der Halle und überlegt bitte bis morgen, was in diesem Schuljahr eure BLACKY-AUFGABE ist!“ Mit diesen Worten verschwindet BLACKY so schnell wie er gekommen ist. Julian schaut ratlos. Was bitte ist eine BLACKY-AUFGABE? Und was bedeutet ‚O Leck‘?

2. Kapitel: Die BLACKY Aufgabe

3. Kapitel: passen und fangen